Samstag, 25. Februar 2017

Hadern

Irgendwie eine komische Schulwoche (13.-16. Februar). Meine Schüler haben beide die ganze Woche über ihre Hausaufgaben nicht gemacht (der eine hatte sie vorher immer, der andere zumindest meistens wenigstens die Hälfte) und konnten mir auch nicht wirklich sagen warum. Nun gut, so haben sie ihre Hausaufgaben immer zu Beginn der Stunde gemacht, während ich über Kolonialismus und dessen Auswirkungen/Folgen gelesen habe. Bei meinem einen Schüler hat mich noch etwas Anderes gehörig aufgeregt: er hat sich über die letzten Tage angewöhnt, das Heft nicht mitzubringen (sobald er da ist, frage ich danach, er geht zurück und holt es) und sich einige andere Kleinigkeiten überlegt, warum man aus dem Unterricht raus muss (Stift, Toilette, etc.). Jedes Hinausgehen wird dabei so gut es geht in die Länge gezogen, jeder Schritt vorsichtig gesetzt.
Eben dieser Schüler hat heute meinen Geduldsbogen überspannt. Nachdem er seine Hausaufgaben natürlich wieder nicht hatte und auch das Heft nicht mitgebracht hatte, kontrollierte ich nach der Bearbeitung (bis er damit angefangen hat, hat es auch ein wenig gedauert) seine Aufgaben und legte ihm das Heft wieder hin, damit er seine Fehler berichtigen könne. In dem Moment, wo ich das Heft vor ihn hinlege, legt er seinen Kopf komplett auf den Tisch, auf den er sich vorher nur aufgestützt hatte. Ich sage seinen Namen, beim zweiten Mal kommt eine geraunte Antwort, er scheint aber nicht bereit zu sein, seine Aufgaben zu korrigieren. Ich sage ihm, er solle den Raum verlassen. Zeige ihm die bereits für Montag notierten Hausaufgaben, er solle sich überlegen, ob er mit mir arbeiten möchte. Wenn ja, soll er die Hausaufgaben machen und sich demnächst anders verhalten, ich möchte nicht mit Schülern arbeiten, die sich selbst nicht bemühen und die ganze Zeit sich nur drum rumdrücken.
Es ist nicht mehr lang bis zur Pause, ich lese bis dahin weiter, danach kommt mein zweiter Schüler.
Wie könnte es in dieser Woche anders sein, auch er hat seine Hausaufgaben nicht gemacht und ich bitte auch ihn, diese jetzt zu machen und beginne erneut zu lesen (90 Seiten habe ich heute gelesen :0). Bereits aus dem Augenwinkel nehme ich wahr, dass er nicht wirklich arbeitet. Nach einiger Zeit frage ich ihn, warum nicht, was das Problem sei. Er redet nicht mit mir. Franzis, die im gleichen Raum eine Schülerin unterrichtet, versucht mit ihm zu reden. Er rechnet zwar zwei Aufgaben, während sie dabeisitzt („Zeig mir, dass du es kannst“), hört aber sogleich wieder auf, als sie weg ist. Und ihr erklären was los sei, möchte er nicht. Als ich am Ende der Stunde möchte, dass er den von mir gesagten Satz (Wenn ich möchte, dass sich etwas verändert, muss ich darüber reden) wiederholt, ist er dazu nicht bereit. Ich versuche ihm deutlich zu machen, dass ich nicht weiß was sein Problem ist, dass er mir doch bitte erklären möge, warum er nicht arbeitet. Er redet weiterhin nicht mit mir. Nach einiger Zeit, bitte ich eine etwas ältere Schülerin von Franzis, ihn zu fragen was los sei. Auch mit ihr redet er nicht. Ein anderer Schüler, der sich dazu gesetzt hat (das ist hier einfach üblich), sagt mir ein wenig später, er hätte gesagt er würde die Hausaufgaben zu Montag machen. Ich sage ihm, er könne in die Pause gehen; ich gehe davon aus, dass er die Hausaufgaben zu Montag macht und wir normal unsere Stunde lernen können – und, dass er mir sagen soll, wenn es etwas gibt (was wir verändern sollen, er für Probleme hat, ihn ärgert, etc.).

Etwas frustriert mache ich mich auf den Heimweg. Ich weiß nicht so recht, warum plötzlich beide Schüler ihre Hausaufgaben gar nicht mehr machen und es auch im „Unterricht“ so große Probleme gibt.
Mir ist aber auch bewusst, dass ich viel von einem Schüler hier verlange, wenn ich ihm sage, er solle mir doch ehrlich sagen, wo genau sein Problem liegt und Franzis sogar anbietet, er könne ihr sagen, wenn er ein Problem mit mir hat. Womöglich hat ihn noch nie eine ältere Person so nach seiner Meinung (über den Unterricht, etc.) gefragt, ihn nach seinen Problemen gefragt – und vor allem ihm die Möglichkeit gegeben, sich über eine „Autorität“ zu beschweren, bzw. zu sagen was einen an ihr stört. Das ist hier mindestens ungewöhnlich.
Und nun bin ich gespannt, wie es nächsten Montag ausschaut...

(Jona – 16.02.2017)

Samstag, 18. Februar 2017

Einfach mal Raus – und rein in eine „Blase“

Anfang Februar hatten wir vier in Kumasi unser Zwischenseminar– zusammen mit 28 weiteren deutschen Ghanafreiwilligen (okay, drei waren nicht aus Ghana) und vier Teamern von Volute e.V., die das Seminar organisierten.
 Am Donnerstag (02.02.) haben wir uns morgens auf den Weg gemacht und wurden netterweise von Monsignor bis nach Jasikan gebracht. Circa zehn Stunden später waren wir dann auch endlich da, doch der Nachtwächter hatte nur noch drei Einzelzimmer im Angebot. Wir schauten uns die Zimmer an, aber auf den Matratzen fanden wir es alle dann doch zu kuschelig für zwei Leute. Nach einiger Zeit hat er dann aber doch ein Doppelzimmer aufgetrieben, welches die Mädchen auch sogleich bezogen. Jan und ich kamen nach einiger Zeit zur Rezeption zurück, in unserem Bad funktionierte gar kein Wasser. Der Rezeptionist muss in der Zwischenzeit zaubern gelernt haben, wir konnten auch ein Doppelzimmer beziehen (wenngleich wesentlich kleiner als das der Mädchen). Abendessen bekamen wir nicht mehr (die Unterkunft ist ein Center, vergleichbar wenn auch etwas besser als das, wo wir leben und drum herum gibt es halt nichts zu essen) und da Jan und ich auch das Frühstück verschliefen, hatte ich zum Mittagessen, womit das Seminar begann, dann auch richtig Hunger. Das Essen war dann Gott sei Dank auch ganz lecker, wie mit wenigen Ausnahmen die ganze Woche über auch.
Anschließend starteten wir vor allem mit Kennlernspielen und konnten erstaunlich schnell alle Namen (ja, ich auch – sogar mit passendem Adjektiv! :D). Wir alle haben schnell Kontakt zu anderen Leuten gefunden, uns viel unterhalten und gemeinsam Spaß gehabt! Am nächsten Tag dann haben wir das Programm für die Woche geplant. Ja genau, das haben wir gemeinsam gemacht: Erst hat jeder für sich Themen aufgeschrieben, dann alle allen vorgestellt und in Übergruppen geordnet, diesen wurden dann in Kleingruppen Überschriften gegeben. Wer mochte, konnte nach einer kurzen Pause dann daran arbeiten, wie möglichst alle diese Themen (14 Oberthemen haben wir gesammelt) in das bereits vorgegebene Rahmenprogramm eingearbeitet werden können – Circa die Hälfte der Teilnehmer ist dieser Einladung gefolgt. Partizipation nennt Volute dieses Vorgehen, eine der drei Säulen (Modularisierung und Spiritualität). Dann war das Programm für unseren ersten richtigen Seminartag auch vorbei – bis auf das „Offene Team“. Dieses findet jeden Abend statt, wer mag ist eingeladen zu kommen. Besprochen wird, was die Teilnehmenden einbringen, was sie von dem Tag noch beschäftigt, etc. Circa zehn Teilnehmer sind dieser Einladung im Schnitt gefolgt – ich habe es immer als sehr nette Runde wahrgenommen :)
Am nächsten Tag haben wir uns in vier Gruppen zu je sieben/acht Teilnehmern aufgeteilt und morgens ein Plakat gestaltet, was wir in den letzten sechs Monaten erlebt haben, was uns beschäftigt, usw. Nachmittags (unsere Gruppe hat bis in den späten Abend gebraucht :0) haben wir uns diese dann vorgestellt und von den anderen Gruppenmitgliedern Rückmeldungen und Tipps bekommen.
Bevor wir am letzten Tag in den gleichen Gruppen mit der gleichen Methode uns überlegt haben, was in den nächsten sechs Monaten vor uns liegt, bei uns ansteht, haben wir einen Ausflug zum Kratersee Lake Bosomtwe gemacht, uns mit Rollen des Freiwilligen, Interkultureller Kommunikation und Rassismus beschäftigt und durften Julie (eine der vier TeamerInnen und Ghanaern) Fragen zur ghanaischen Kultur stellen.

Ich fand die Zeit unglaublich spannend, glaube, dass ich einiges gelernt habe (gerade in Bezug auf interkulturelle Kommunikation (Highcontext and Lowcontext Communication) und in Bezug auf Rassismus (struktureller Rassismus und Alltagsrassismus; was ist geblieben von kolonialen Strukturen?), bin begeistert von dem pädagogischen Konzept und konnte die Zeit rundum genießen; mit den Teamern und den vielen offenen und netten anderen Teilnehmern.
Eine wunderschöne Woche in der Blase des Seminares!

(Jona)


Franzis: „Mich persönlich hat der Erfahrungsaustausch mit den anderen Freiwilligen sowie mit den Teamern sehr inspiriert und es war einfach super spannend von ihren Projekten und ihrem Leben in Ghana und anderen westafrikanischen Ländern zu hören. Durch das Zwischenseminar habe ich für mich die Chance gesehen, mein erstes halbes Jahr mit etwas Abstand zu betrachten und zu reflektieren, unvoreingenommene Rückmeldung zu bekommen und mir auch Tipps für die nächste Zeit mitzunehmen.“