Dienstag, 12. September 2017

Abschluss


Ein Jahr ist nun vorbei, wir sind alle wieder heile nach Deutschland zurückgekehrt, leben uns endgültig ein und genießen die Zeit bis zum Studium.
Wir blicken zurück auf ein spannendes Jahr, in dem wir sehr viel lernen durften und viele neue Eindrücke gesammelt haben.
An manchen dieser Eindrücke haben wir euch teilhaben lassen, haben geschrieben, was uns bewegt und beschäftigt hat.

In den letzten Wochen vor der Abreise durften wir nochmal sehr viel am Projekt genießen und erleben.
Da wäre zum einen der Besuch einer deutschen Gruppe und vor allem dem begleitenden ghanaischen Priester, der seit 4 Jahren in Deutschland lebt. So haben wir einen sehr leckeren deutsch-ghanaischen Grillabend genießen können.
Zum anderen der pompöse 70. Geburtstag des Bischofs in Kombination mit seinem 40. Priesterjubiläum, der das Center und das gesamte Bistum in Atem gehalten hat.
Der „Teenage Pregnancy Workshop“ den die JHS in Nsuta in Zusammenarbeit mit den Krankenschwestern des Dorfes abgehalten hat.
Und abschließend die Verabschiedungen, in der Schule, am Center und von den Freunden und Bekannten, die uns im sonstigen Alltag begegnet sind.

Ich persönlich fand die letzte Zeit nochmal sehr schön, sie hatte sehr viel von dem was ich in dem Jahr genossen habe in sich. Es waren nette Gespräche mit den Lehrern, Spaß mit den Schülern, lustige, wie spannende Gespräche mit Monsi und viel Fufu!:))
Genauso war es auch eine Zeit des Nachdenkens, über die Herausforderungen in dem Jahr und auch über die Dinge, auf die wir nun auch kritisch blicken.
Auf Schwierigkeiten von Spenden, Ungleichgewichte in der Welt, Probleme in der Entwicklungszusammenarbeit und auch bei unserem Freiwilligendienst, bei „weltwärts“.

Nun reflektieren wir all das nochmal in unserem Nachbereitungsseminar und nehmen diese gewonnenen Eindrücke, Fragen und vielleicht auch Antworten mit nach Deutschland, während unsere Nachfolger schon in Ghana weilen. Vielleicht sich mit ähnlichen Herausforderungen und Fragen beschäftigen, ähnliche schöne Eindrücke und Erlebnisse genießen. Und dennoch sicher auch auf ganz andere eigene Herausforderungen und Fragen stoßen.
Sie werden ihre Wege gehen und ich glaube sicherlich auch neue tolle Eindrücke gewinnen.
Wer sie dabei begleiten möchte und das Projekt weiterverfolgen kann, der kann gerne auf ihrem Blog: http://fsj-ghana1718.blogspot.de vorbeischauen.
Wir wünschen ihnen alles Gute und verabschieden uns.

Mia dogo (Auf Wiedersehen) sagen
Hannah, Franzis, Jona und Jan

Samstag, 22. Juli 2017

Spenden

»Gib einem Hungernden einen Fisch, und er wird einmal satt, lehre ihn Fischen, und er wird nie wieder hungern.«  chinesisches Sprichwort

»Wohltätigkeit ist die Ersäufung des Rechts im Mistloch der Gnade« Johann Heinrich Pestalozzi

Wir können uns echt glücklich schätzen, dass es bei uns wenig um das Thema Spenden geht. Wir werden hier darauf nicht angesprochen, unsere Organisation ist bereit, alles ausgesprochen Sinnvolle abzudecken, bietet die Möglichkeit, dass die Spenden „kanalisiert“ werden, d. h. unpersönlich und über die Organisation übermittelt werden.
Dennoch ist der Themenkomplex „Spendengelder“ einer, der viele Freiwillige sehr stark begleitet (das konnten wir auch auf unserem Zwischenseminar erfahren) und mit dem sich eine Auseinandersetzung lohnt, so glaube ich, für jeden von uns, da die meisten von uns im Laufe ihres Lebens (erhebliche Summen) spenden.
Spenden ist dabei sicherlich kein einfaches Thema und nicht per se gut oder schlecht! Vielmehr ist eine oft formulierte Forderung, der Spender sollte sich unbedingt die Mühe machen, genau zu schauen, wohin seine Spenden fließen – das heißt keines Wegs, den Empfänger nicht zu vertrauen, denn auch das ist sehr wichtig. Und gerade in der Situation als Freiwilliger, sind Spenden ein besonders prekärer Punkt.
Bereits auf unserem Zwischenseminar habe ich mich mit einigen über das Thema unterhalten, jetzt habe ich mir die Unterlagen der ICJA „Spende gut, alles gut?“ (https://www.google.com.gh/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=0ahUKEwj18dGkzJ_UAhVLKFAKHROZCRMQFggkMAA&url=http%3A%2F%2Fwww.weltwaerts.de%2Fde%2Fid-04-07-2016-spende-gut-alles-gut.html%3Ffile%3Dfiles%2F_media%2Fcontent%2FDokumente%2F3_EO%2FPublikationen%2Fpub_spendegut_DE_2016.pdf&usg=AFQjCNEOKD-A_EN2STjWwFJLhNiUV6AR5g) durchgelesen – und möchte einige meiner Gedanken bzw. gewonnenen Punkte teilen. Viele Punkte beziehen sich natürlich auch insbesondere auf Spenden im Kontext von Freiwilligenarbeit, ich denke trotzdem, dass sie einen interessanten und zur Auseinandersetzung anregenden Einblick geben können – vielleicht führt es ja zu einem bewussteren Spenden.

Spenden schaffen immer eine Hierarchie zwischen Spender und Spendenempfänger – teilweise gar ein Abhängigkeitsverhältnis.
Weiße werden im globalen Süden zumeist als Menschen mit viel Geld, nahezu unbegrenzten Möglichkeiten der Geldschöpfung wahrgenommen – wenn schnell und problemlos Geld akquiriert werden kann, fördert das dieses Bild.
Wenn regelmäßig Spenden eintreffen, wird ggf. nicht mehr selbst aktiv nach Lösungen gesucht, sondern nur auf die nächste Spende gewartet.
Spenden laufen Gefahr, dass vorhandene soziale System zu destabilisieren.
Spendenempfänger sind abhängig von der „Güte“ und „Stimmung“ der Spender, können Spendengelder (im Gegensatz zu staatlichen Hilfen) nicht einklagen.
Spenden bevorzugen immer eine Gruppe, sind unfair (Oftmals ist die Gruppe der Spendenempfänger gar nicht die Ärmste, sondern eine, die über Kontakte verfügt, um Spendengelder zu akquirieren).
Spender erkaufen sich ein gutes Selbstwertgefühl, Spenden wird zur Dienstleistung in einer ungerechten Welt.
Spenden täuschen über die viele Ungerechtigkeit im System, die dringend verändert werden müssen, hinweg.
Spenden ist oftmals egoistisch motiviert, so kann ich die Armut besser ertragen.
Spenden reproduzieren koloniale Denkmuster.

Spenden sollten versuchen, langfristig unabhängig zu machen („Angel“).
Spendengelder sollten „kanalisiert“ werden, d. h. über eine Organisation und unpersönlich (der Spender wird nicht benannt) weitergegeben werden.
Damit eine Nachhaltigkeit entstehen kann, müssen die Personen vor Ort einbezogen werden.
Es sollte immer um einen Austausch gehen: A gibt Geld für einen Garten, B verpflichtet sich dieses zu pflegen, das Gemüse auf dem Markt zu verkaufen und der Gewinn kommt der Schule zugute.

Freiwilligen begegnet oft eine deutliche Erwartungshaltung, wenn Vorgänger erhebliche Beiträge gespendet haben.
Niemand sollte in andere Länder gehen, um etwas „Gutes zu tun“, im Heimatland für mehr Gerechtigkeit gegenüber Länder des globalen Südens zu sorgen (Stichwort: unfaire Handelsabkommen) ist viel wichtiger.
Freiwillige schauen mit einer europäischen Brille, schätzen Situationen schnell falsch ein, sehen nicht wo tatsächlich und wo vielleicht gar nicht Geld benötigt wird.
Der eigentliche Sinn des Freiwilligendienstes – der kulturelle Austausch – droht angesichts von Spenden schnell in den Hintergrund zu rücken.

Überprüft, ob eure Spende langfristig unabhängig oder abhängig macht!
Spenden muss auf Augenhöhe stattfinden!
Haltet den Anteil der Spendengelder am Gesamtvolumen gering!
Maßnahmen immer unter Beteiligung aller Nutznießer vereinbaren!
Spenden nicht zur Durchsetzung eigener Veränderungsideen einsetzen!


»Ich höre, dass in New York

An der Ecke der 26. Straße und des Broadway

Während der Wintermonate jeden Abend ein Mann steht
Und den Obdachlosen, die sich ansammeln
Durch Bitten an Vorübergehende ein Nachtlager verschafft.

Die Welt wird dadurch nicht anders
Die Beziehungen zwischen den Menschen bessern sich nicht
Das Zeitalter der Ausbeutung wird dadurch nicht verkürzt
Aber einige Männer haben ein Nachtlager
Der Wind wird von ihnen eine Nacht lang abgehalten
Der ihnen zugedachte Schnee fällt auf die Straße.

Leg das Buch nicht nieder, der du das liesest, Mensch.

Einige Menschen haben ein Nachtlager
Der Wind wird von ihnen eine Nacht lang abgehalten
Der ihnen zugedachte Schnee fällt auf die Straße
Aber die Welt wird dadurch nicht anders
Die Beziehungen zwischen den Menschen bessern sich dadurch nicht
Das Zeitalter der Ausbeutung wird dadurch nicht verkürzt.« „Nachtlager“, Bertolt Brecht
(Jona - 02.06)


Freitag, 14. Juli 2017

Kommunikation

Jeden Freitag morgen treffen wir uns mit Jo und sprechen über die Woche. Was in den Schulen passiert ist, was ggf. noch geklärt werden; aber auch, ob wir am Wochenende reisen u.Ä. Manchmal, bisher sehr selten, hat Jo uns auch mitgeteilt, was andere Lehrer ihm über uns gesagt haben. Jo fungiert hier als eine Art Mittler, sowohl für uns, als auch für die Lehrer. Letzten Freitag gab es so eine Situation.
Jo sagt mir, dass ein Lehrer angemerkt („complain“) hätte, ich würde beim unterrichten meine Füße auf eine gegenüberlegende Bank legen, dass würde die nötige Seriosität vermissen lassen. In mir schossen sofort einige Gedanken hoch: wer hat das gesagt? Warum hat er das? Ich mache das nicht während ich unterrichte, höchstens wenn der Schüler eine Aufgabe selbstständig lösen soll. (Mindestens) die meisten Lehrer verbringen weniger Zeit mit unterrichten als ich (gut, sie korrigieren auch), und dann beklagt man meine Sitzhaltung? Was ist das für eine Idee, die Seriosität anhand der Sitzhaltung zu ermitteln? Ich frage Jo, schon davon ausgehend keine Antwort zu bekommen, wer ihm dies gesagt hätte. Das kann ich dir nicht sagen. Warum nicht? Das spielt gar keine Rolle, unwichtig wer das gesagt hat, die Frage ist ob du dich so verhalten hast. Nur bedingt, so funktioniert Kommunikation nur als Einbahnstraße! Wollte jemand nur klagen? Geht es wirklich um die Sitzhaltung? So kann man nicht darüber sprechen. So mache ich mich als Kritiker unsichtbar. Ich akzeptiere es mit einem leichten Kopfnicken. Wir lassen die Situation mehr oder weniger so stehen. Jo betont nochmal, dass wir eine Vorbildfunktion haben, die Leute auf unser Verhalten und unsere Einstellung achten, und es wichtig ist, dass wir uns „seriös“ verhalten. Eigentlich sollten wir nun wirklich nicht als Vorbild fungieren, bzw. nur gegenüber den Schülern, aber nun gut.
Wir setzen unser Meeting fort, kommen bald zum Ende und verabschieden uns wie üblich mit besten Wünschen gegenseitig ins Wochenende.

In dieser Situation, hat es mir ungemein geholfen, dass wir uns auf unserem Zwischenseminar mit interkultureller Kommunikation auseinandergesetzt haben, bzwJohannes uns ungemein viel zu diesem Thema mitgegeben hatIch versuche im Folgenden, einen Einblick in das uns vermittelte zu geben.

Vorweg: ich werde der Einfachheit halber oft absolut schreiben, es geht bei allem aber immer um Tendenzen. Nichts von dem Beschriebenen gibt es in absoluter Form! Wir alle kennen und erleben immer wieder beide „Kulturen“ und „Kommunikationsformen“.

Individualistisch
Kollektivistisch
Ich: Wenn alle Ich’s glücklich sind, dann sind Wir glücklich
Wir: Wenn Wir glücklich sind, dann bin Ich glücklich.
-> Low Context Communication
-> High Context Communication
Gewissen: Was ich sage, meine ich so, es ist ehrlich
Scham: Was ich sage, hängt vom Kontext ab
Wahrheit / objektiv / direkt
Kontext / subjektiv / indirekt
Ehrlich / unhöfliche Direktheit
Respekt / „Hintenrum“, Lüge

Bei der deutschen (wie auch der gesamten westlichen/der des globalen Nordens) Kultur sprechen wir von einer individualistischen Kultur (im folgenden iK). Bei der ghanaischen Kultur (wie auch bei vielen anderen afrikanischen Kulturen/vielen Kulturen des globalen Südens) hingegen sprechen wir von einer kollektivistischen Kultur (im folgenden kK). Wichtig hierbei ist anzuerkennen, dass es zwei unterschiedliche Kulturen sind, jeweils mit Vorund NachteilenEine Wertung verbietet sich, meiner Meinung nach.
Während bei der iK das Ich im Vordergrund steht, steht bei der kK das Wir im VordergrundDaraus entsteht jeweils eine anders gewichtete KommunikationBei der „Low Context Communication“ (vorzugsweise in iK benutztsprechen wir sehr direkt, auf Objektivität und Wahrheit bedacht, unser Gewissen leitet unsPositiv bezeichnen wir dies in der Regel als Ehrlich, negativ als unhöfliche Direktheit, die Respekt vermissen lässtBei der „High Context Communication“ (vorzugsweise in kK benutzthingegen, sprechen wir eher indirekt, auf Subjektivität und den Kontext bedacht, unsere Scham leitet unsPositiv bezeichnen wir dies als Respektvoll, negativ als eine Form von „Hintenrum“ oder gar als Lüge.
Während es innerhalb der „Low Context Communikation“ üblich ist, ein Problem sehr direkt anzusprechen, mit der anderen Person hierüber ins Gespräch zu kommen, ist gerade dieses Verhalten innerhalb der „High Context Communikation“ unhöflichHier würde man eventuell über einen Freund, der auf der gleichen Ebene steht, das Problem an die Person herantragen, oder eben auch etwas loben um es kurz danach verändern zu können (man hätte hierbei die andere Person aber vor einem Gesichtsverlust bewahrt, das ist sehr wichtig).
Wichtig hierbei: jeder von uns hat beide Kommunikationsformen schon benutzt, wir alle kennen beideNur, in manchen Regionen überwiegt halt die Eine, in anderen die Andere.

Mir hat dieses Wissen, glaube ich, sehr geholfen, um mit der oben Beschriebenen Situation umzugehen.
Ein Teil unseres Aufenthalts hier ist es, so glaube ich, mit dieser Kultur und der Kommunikationsform einen guten Umgang zu finden und diese auch in Teilen für uns anzunehmen.

Alles Beschriebene habe ich wiedergegeben, wie ich es auf unserem Zwischenseminar aufgenommen habe.
Ich bin sehr dankbar für das Seminar und alles, was ich von dort mitnehmen durfte!


(Jona – 26.03.)