Donnerstag, 22. September 2016

Guaman

Mit Joseph war ja besprochen, dass wir über das Wochenende Zeit haben, uns zu entscheiden wer in welche Schule geht. Die Mädels hatten sich am Freitag bereits festgelegt, dass Franzis nach Guaman und Hannah nach Nsuta gehen wird. Wir Jungs brauchten ein bisschen länger, um uns endgültig zu entscheiden. Am Sonntag Abend haben wir uns dann definitiv entschieden, dass Jan nach Nsuta und ich nach Guaman gehen werde.

Am nächsten Morgen ging es für Franzis und mich also nach Guaman. Joseph brachte uns mit dem Auto, ließ uns, zu unserem Erstaunen allerdings lediglich aussteigen und fuhr dann zurück nach Nsuta, um nach Hannah und Jan zu sehen.
Wir fanden den Headmaster und unterhielten uns nett mit ihm, stellten Fragen und sprachen über das Konzept. Wir hatten in der letzten Woche bereits angerissen, dass dieses so bleiben solle wie letztes Jahr (schwächere Schüler werden rausgenommen, vorwiegend während ihres Mathe und Englisch Unterrichts, die schwächsten auch während anderer Fächer, wir unterrichten lediglich Mathe und Englisch – ansonsten sind die Schüler im normalen Unterricht; vier Schüler jeweils aus der Form 1 sowie der Form 2 werden unterstützt). Danach schauten wir in einer Unterrichtsstunde zu: Livingstone unterrichtet ICT. Hannah war bereits bei unserem ersten Besuch letzte Woche der Stock aufgefallen, heute kam er zum Einsatz. Mit Erstaunen mussten wir feststellen, dass die Kinder bei falschen Antworten, bzw. Unkonzentriertheit auf den Kopf gehauen wurden; zumeist mit dem Stock, teilweise auch mit der Hand (das Schlagen war, unserer Auffassung nach nicht um Schmerzen zuzufügen – der Stock ist dünn und beweglich – sondern eher um Aufmerksamkeit zu erzeugen und um Macht zu demonstrieren). Wir unternahmen nichts. Gegen Ende der Stunde ließ er Schüler nach vorne kommen und das an die Tafel geschriebene vorlesen. Bei einigen Schülern sagte er uns als sie sich wieder setzten, dass wir sie unterrichten werden. In der Tat waren wir überrascht, wie schwer sie sich beim Vorlesen taten.
Bereits im Gespräch morgens war klar geworden, dass wir einen Test erstellen sollten, um zu schauen welche Kinder Förderungsbedarf in Englisch und Mathe haben. Da gerade in allen drei Klassen kein Unterricht war – das ist hier leider öfter der Fall –, setzten wir uns in die Library und überlegten uns Aufgaben. Ein Text, entnommen aus dem Buch für die 6. Klasse (die Schüler sind gerade in die Form 1 – siebte Klasse – gekommen) sollte gelesen und zu ihm Fragen beantwortet werden. Der Headmaster kam an uns vorbei, wir zeigten ihm unsere Idee: viel zu schwer, wir sollen ihnen einfach fünf Wörter geben, zu jedem sollen die Schüler einen Satz formulieren und darüber hinaus sollen sie ein paar Sätze über sich selbst schreiben. Nun gut, die Vorbereitung war damit überflüssig geworden, dennoch dankbar für die Einschätzung führten wir den Test nach der Pause durch. Danach war die Schule bald vorbei, wir gingen nach Hause.
Auf dem Rückweg schauten wir die Tests der zwölf Kinder durch. Wir waren überrascht von den Ergebnissen. Tatsächlich waren bei vielen der Schüler kaum Fähigkeiten vorhanden, einen Englischen Satz zu bilden. Und das in einem Land, wo ab der JHS sowohl in der Schule als auch im kompletten Bildungssystem sowie vermutlich auch im Job, sofern etwas „besser“, nur noch Englisch gesprochen wird. Natürlich dürfen wir hierbei nicht vergessen, dass in der Grundschule noch viel die local language (hier Ewe) gesprochen wird und zu Hause natürlich im Normalfall auch ausschließlich; und das die Kinder, zumindest im ländlichen Raum hier, zu Hause meist keine englischen Bücher haben. Einige Schüler schrieben aber auch bereits relativ flüssige Sätze. Wir suchten fünf Aufsätze heraus, bei denen wir meinten, Förderung wäre bei ihnen am nötigsten.
Am nächsten Morgen sprachen wir mit Livingstone über unser Ergebnis. Bei vier Schülern stimmte er überein, bei einem hingegen, auch nach unserer Einschätzung der beste der fünf, meinte er, dass dieser eigentlich ganz gut sei. Wir können ihn ja vielleicht lediglich ein paar Wochen unterstützen, war seine Idee, welche bei uns sogleich auf Gegenliebe stoß.
Im Laufe des Tages nahmen wir zweimal jeweils zwei Schüler aus dem Unterricht heraus, jeder von uns beiden las mit einem in einem Buch für Leseanfänger. Ich war wieder überrascht: beide verstanden kaum Englisch, es war schwierig überhaupt ihr Alter sowie die Anzahl der Geschwister zu erfragen. Beim Lesen musste ich viele Wörter zuerst vorlesen, die Geschichte verstanden sie erst als wir gemeinsam die großen Illustrationen anschauten und uns diese gemeinsam erschlossen. Bei Franzis waren diese Eindrücke von ihren beiden Schülern nicht ganz so deutlich.
Zwischen diesen beiden Stunden mit den Schülern führten wir ein Gespräch mit Viktor, dem Englischlehrer, Joseph saß dabei. Relativ deutlich erklärte er, dass wir dieses Jahr keine Schüler aus der Form 2 unterrichten sollen bzw. dürfen. Bereits letztes Jahr wurden hier einige Schüler unterstützt, es wäre jetzt wichtig das alle im Regelunterricht sind. Darüber hinaus erklärte er, dass die Schüler aus Form 1, welche wir unterrichten, nahezu zwangsläufig das Jahr wiederholen müssten, auf jeden Fall dann, wenn wir sie aus einem anderen Unterricht als Mathe oder Englisch herausholen; vermutlich aber auch sonst. Ich war ein wenig verwirrt. Die ganze Idee und der Vorteil gegenüber dem System in Nsuta war dahin – zumindest in meinem Kopf –, auch hier müssen die Schüler das Jahr wiederholen. Wir schlossen, indem wir vereinbarten wir würden in Ruhe darüber nachdenken, nach welchem System wir unter diesen Bedingungen arbeiten wollen.
Zu Hause angekommen und nachdem wir gegessen hatten habe ich mit Matthias, er war letztes Jahr in der Schule in Guaman, telefoniert. Er sagte mir, dass ihnen klar war, dass vermutlich alle Schüler wiederholen müssten. Wir beide konnten nachvollziehen, dass in diesem Jahr nicht in der Form 2 unterrichtet werden soll. Gemeinsam kamen wir zu dem Schluss, dass die bereits vorher mit Franzis abgesprochene Idee, vier Schüler von montags bis donnerstags als eigene Klasse, aber eben nur in Mathe und Englisch zu unterrichten vermutlich die beste Idee wäre.
Donnerstag werden wir mit Viktor und vermutlich auch den anderen Lehrern absprechen, ob dies so okay ist; oder ob sie einen anderen Vorschlag haben.
Wir sind gespannt.

(Jona)

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