Montag, 5. Dezember 2016

Begegnungen

Nun sind wir schon über zwei Monate hier und sind im Laufe der Zeit auch schon vielen verschiedenen Menschen begegnet.
Sehr vielfältige und interessante Begegnungen, man muss sagen, dass wir uns nicht bemühen müssen mit Leuten ins Gespräch zu kommen, denn zumeist kommen Personen hier auf uns zu.
Für viele Menschen hier sind „wir weißen“ einfach interessant, exotisch oder auch einfach eine vermeintliche Möglichkeit an Geld zu kommen.
Das ist wohl auch das, was man am ehesten beschreiben kann, diese zwei Phänomene...
Zum einen begegnen uns oft Leute, die einfach interessiert an uns sind und mit denen man schnell ins Gespräch kommt, auch wenn viele Gespräche meist flüchtig und oberflächlich bleiben.
Zum anderen begegnen uns auch viele Menschen, für die wir einfach nur „die reichen weißen“ sind (zugegeben: Leute, die aus Deutschland kommen und sich zumindest schon mal einen Flug hierhin leisten können, sind für Ghanaer mit durchschnittlichem Einkommen auch einfach reich).
Dann will man uns auch nie „böses“ (-für mich ist der Versuch an Geld zu kommen, von keiner bösartigen Absicht, wobei die Art der Versuche, teilweise unangenehm und auch unverschämt sind) , sondern meistens spielt der eigene Traum von Europa und Wohlstand die größere Rolle, dieser will uns erzählt werden.
Manchmal wissen wir auch einfach nicht genau, ob man wirklich an uns interessiert ist, oder wie wir den jeweils anderen verstehen sollen, aber genau diese Vielfalt macht das ganze so interessant; und zugleich eben auch ungeheuer schwierig. Schwierig erstmal zu begreifen und noch schwieriger, es dann in Worte zu fassen.
Ich finde zwei Begegnungen von Jona und mir in Accra können einen kleinen und doch guten Einblick geben, deswegen möchte ich im Folgenden versuchen, sie zu schildern:
Wie schon in dem ersten Blogeintrag über Accra beschrieben, haben Jona und ich uns aufgemacht, um an einen Abend noch etwas Meerluft zu schnuppern.
Nachdem wir die Oxford Street (Ähnlichkeiten mit der in London sind durchaus vorhanden – hier sieht man teure Autos und westliche Einkaufsläden) heruntergelaufen sind, kamen wir in ein komplett anderes Viertel. Das andere Accra, ein Viertel das genauso lebt, aber deren Bewohner nicht in teuren Einkaufsläden shoppen können und ein Viertel, in dem nachts nicht alle Lichter leuchten und der Müll sich stapelt und stinkt.
Wir gingen weiter und sahen durch eine Bar hindurch auch schon, wie die Wellen auf den Strand zurollten. Also gingen wir über die Treppe der Bar hinunter zum menschenverlassenen Strand. In der Bar wurden wir noch nett angesprochen, gleich mit dem Angebot einen mitzutrinken.
Wir wollten jedoch erst mal Meerluft schnuppern und etwas den Strand und das anbrausende Meer genießen, so ließen wir uns drauf ein, dass er ja auch runter kommen könne.
Die angebotene Gesellschaft ließ nicht lange auf sich warten, ein junger Erwachsener kam herunter und so plauderten wir nett. Er erzählte u.a von seinem Traum nach Europa zu kommen (man kann die Leute hier gut verstehen, eng getaktet fliegen hier die großen Flugzeuge dicht über dem Strand in die weite Welt und der „westliche Reichtum“ befindet sich nebenan und ist doch so weit entfernt...), von seinen Auslandsaufenthalten in Lagos und Pretoria, dass er jetzt die Schule beendet hat und zurzeit Handys verkauft. Ich erzählte ihm was uns hierhin geführt habe und was wir so in einem Jahr in Ghana anstellen wollen.
Nach einer Weile machten Jona und ich uns wieder auf den Weg, etwas den Strand zu erkunden.
Der Mann bat uns an, nochmal wiederzukommen und für uns schien das auch nicht ausgeschlossen. Dennoch wollten wir zunächst woanders unseren „gegönnten“ Saft zusammen mit edlen Plätzchen (sie waren 50cent teurer als die ganz billigen) genießen. Gesagt, getan. Wir setzten uns auf eine der mittlerweile nicht mehr seetauglichen Pirogen, die gepaart mit heilen am Strand lagen und farbenfroh zum Hinsetzen einluden.
Kurze Zeit später traf unsere Bekanntschaft zusammen mit einem Freund ein, wir luden die beiden ein, sich auch etwas zu nehmen (alles andere ist hier übrigens auch echt unhöflich) und plauderten etwas.
Aus dem bisher so freundlichen Gespräch wurde nach einiger Zeit leider ein Feilschen, die beiden wollten Geld für das Betreten des Strandes durch die Bar. Etwas überraschend, plötzlich und aus unserer Sicht nicht so stichhaltig, sodass wir während der Diskussion einen ganz normalen Weg weg vom Strand ausspähten und diesen auch sogleich nutzten, als der eine Mann zur Bar zurückging, um der unangenehmen Situation zu entfliehen und nicht grundlos ausgenommen zu werden.
Das war die eine Seite, wir waren zwar interessant und die Unterhaltung für alle Beteiligten durchaus spannend, doch die verlockende Aussicht auf etwas Geld (es wäre jetzt kein Vermögen gewesen, auch nicht für Ghanaer, gerade da die beiden sich ja zumindest in der Bar jeden Abend einen Drink leisten konnten) war anscheinend größer...
Die gegensätzliche Begegnung wartete nur ein paar Schritte weiter:
Der eben noch so freundliche Mann folgte uns jetzt und war nicht mehr so zuvorkommend (hier sei auch erwähnt, dass er keineswegs aggressiv war, sondern einfach nicht mehr freundlich und wohl auch angetrunken; seine Begleitung hingegen, der gerade gegangen war um in der Bar Unterstützung zu suchen, schon eher), während wir zu der nächsten Begegnung kommen. Ein weiterer Mann schien die Unschöne Situation zu registrieren und grüßte uns, folgte uns und rief dem anderen Mann zu, dass der Strand für jeden kostenlos zugänglich sei und auch ein freier Platz wäre... Sodass sich unsere erste Bekanntschaft zurückzog.
Wir unterhielten uns etwas mit Simon (so heißt der nette Mensch) und er begleitete uns ein ganzes Stück bis zur Oxford Street. Witzigerweise trafen wir ihn am nächsten Tag am Strand wieder und er erzählte mir von seinem Traum ein Business zu errichten, anscheinend war dies schon der Traum seines Vaters und er hoffte nun ihn wahr werden zu lassen, natürlich am liebsten in Europa oder zumindest mit Geschäften dorthin.
Leider verstand ich nicht immer, was genau sein Plan war, aber es war immer ein sehr freundliches Gespräch. Gleichzeitig half er uns auch damit, dass er ein Auge auf unsere Wertsachen hatte, während wir im Wasser waren (wir guckten trotzdem immer wieder nach, aber gerade nach etwas Zeit konnte ich ihm zumindest etwas vertrauen und hatte das positive Gefühl, dass da noch ein dritter aufpasst). Zudem hat er sich für Jona eingesetzt, als dieser Fotos machte und andere dies als verboten erachteten (in Accra war es früher nahezu überall verboten Fotos zu machen, noch heute ist dies im Regierungsviertel an vielen Stellen nicht erlaubt – Jona hat das Osu/Christiansborg Castle fotografiert, das nach seiner schlimmen Vergangenheit in der Kolonialzeit als Regierungssitz fungierte und deswegen war es tatsächlich lange verboten, es zu fotografieren; manche sagen, es sei immer noch verboten :o) und wies wiederholt darauf hin, dass man hier frei sei.
Ich glaube, dies war wirklich eine spannende Begegnung mit gegenseitigem Interesse.
Ich nahm gerne seine Email-Adresse an, auch wenn ich ihm schon vorher klarmachen musste, dass ich nicht der richtige für Geschäftskontakte nach Deutschland sei, ich dürfe mich trotzdem einfach gerne melden, wenn ich Fragen zu Ghana oder Accra hätte.
Irgendwo war dies „typisch“ für das, was wir hier so oft erleben. Generell sind wir sehr angetan von der Freundlichkeit, die wir erleben. Aber genauso wie überall auf der Welt gibt es hier zum Glück ganz verschiedene Menschen, manche sind eben freundlich und meinen es auch so und andere haben leider andere (finanzielle) Hintergedanken...
Wir freuen uns und sind gespannt auf weitere Begegnungen!


(geschrieben am 21.11.2016 - Jan)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen