Sonntag, 19. März 2017

Religionen

Johannes (einer der Teamer) brachte auf unserer Zwischenseminar Zeitschriften mit, am Ende der Woche durften wir diese mitnehmen. Ich habe uns den Spiegel Geschichte „Der Islam“ mitgenommen. Heute hatte ich diesen in der Schule mit und nachdem ich von einem unserer Lehrer in der Pause erfahren hatte, dass er Muslim ist, habe ich ihm die Zeitschrift in der zweiten Pause gezeigt. Gut, lesen konnte er davon jetzt nicht soviel, aber die Moschee von Cordoba lässt sich auch ohne Deutschkenntnisse bewundern. So kamen wir über Religionen ins Gespräch...
Vasco ist vor zehn Jahren zum Islam konvertiert (vorher war er römisch-katholisch). Als entscheidenden Grund, nennt er die Funerals der Katholiken. Für diese wird hier unglaublich viel Geld ausgegeben, dass macht keinen Sinn sagt er, vor allem, wenn kaum genug Geld für die Bildung der Kinder da ist. Auf meine Nachfrage hin, ob das der einzige Grund sei, sagt er nach einigem Zögern, dass es auch familiäre Gründe gegeben hätte. In seiner Familie ist er der einzige Muslim, seine Frau hingegen ist ebenfalls Muslima. Sie sei dies auch von Geburt an gewesen, erklärt er mir auf Nachfrage. Ebenso sagt er, dass die Heirat überhaupt kein Problem gewesen sei, auch wenn er zu der Zeit noch Katholik war; ganz im Gegenteil, das ist hier üblich. Er erzählt, dass auf der Feier nach der Taufe (was genau er meinte, habe ich nicht verstanden – auf jeden Fall irgendein Zusammenkommen von Freunden nach der Taufe des Kindes) eines Nachbarn mehr Muslime als Christen gekommen wäre – ganz normal, alle sind Freunde, da spielt der Glaube des anderen keine zentrale Rolle. Überhaupt, warum sollte man sich streiten, fragt er. Wir alle glauben an einen, da oben (er zeigt nach oben :D), und wir alle haben einen Weg, wie wir unseren Glauben leben oder ausdrücken, und wir alle Glauben, unser Weg sei der bessere; also soll doch jeder seinen Weg gehen, und dann ganz entspannt abwarten, wer in den Himmel kommt. Irgendwie eine sympathisch offene Einstellung, denke ich mir. Überhaupt, oft denke ich mir hier, ich würde mir wünschen, dass wir in Deutschland so friedlich, bzw. vor allem so unaufgeregt mit unseren Religionen umgehen, wie die Ghanaer. Jeder glaubt, jeder findet irgendwie seinen Weg – und der andere akzeptiert und respektiert es, ohne daraus groß ein Thema zu machen. Es spielt keine Rolle, ob die Nachbarin jetzt ein Kopftuch trägt oder nicht (es ist auch in der Schule erlaubt – bei uns trägt übrigens niemand eins, und ja, es gibt bei uns Muslime), ob der Nachbar und wenn ja wie oft betet, in die Moschee oder Kirche geht. Geschweige denn, dass es irgendjemand zum Politikum machen würde. Es ist ein friedliches neben- und ja, eben auch miteinander, wie man es sich aus meiner Sicht nur wünschen kann.
Ein was gibt es hier übrigens kaum: Atheisten. In einem Buch, was ich kürzlich las („Der Kosmopolit“) scherzte der Autor, wenn sich Ghanas Atheisten versammeln würden, so könnten sie dies in einer Telefonzelle tun. Die meisten sind christlich (es gibt hier ungemein viele charismatische Kirchen/„Pfingstkirchen“) oder muslimisch und/oder Angehörige einer der (Natur)Religionen Ghanas. Diese werden erstaunlich oft mit einer der beiden Buchreligionen vermischt, auch wenn sie sich eigentlich wiedersprechen.

(Jona – 20.02.2017)

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